Bis später
»Es gibt nichts anderes mehr auf der Welt als warten. Ich bin das Warten selbst.«
Bewegungsunfähig ans Bett oder den Rollstuhl gefesselt, der einzige menschliche Kontakt das überlastete Pflegepersonal: Das Dasein alter Menschen in einem Hospiz besteht in nichts als dem Warten.
Der Roman »Bis später« erzählt episodenhaft von den Erinnerungen, Gedanken und Phantasien dieser Menschen. Völlig auf sich selbst zurückgeworfen, ringen sie mit den Lügen und Irrtümern ihres Lebens, den verpassten Chancen und unerfüllten Träumen. Durch die konsequent subjektive Erzählperspektive wird der Schrecken angesichts des Todes für den Leser spürbar: die Angst, die Einsamkeit, der vollkommene Kommunikationsverlust, die verzweifelten Versuche, auf sich aufmerksam zu machen.
Sabine M. Krämer leiht denjenigen, die sich nicht mehr artikulieren können, ihre einfühlsame, ehrliche und oft auch drastische Stimme und schafft es dadurch, der Sprachlosigkeit und dem Unverständnis gegenüber Krankheit, Alter und Tod etwas entgegenzusetzten.
»Komm her mein Schatz und leg dich zu mir ins kühl bezogene Bett. Zieh das Gitter hoch, über uns hängt glatt der Galgen. Mein Schatz, wie schön, dass du kommst, ich freue mich so. Im eckigen Untergeschoss, vor dem Fenster ein dicker Strauch, inzwischen braun im Herbst. Komm näher, fass meine Hand, komm, mein Hemd ist weiß und offen.
Da drüben bist du, mein Schatz, nicht zu fassen, deinen Hemdsaum berühre ich, geh nicht zurück! Meine Hände wollen sich ausruhen in deinen Taschen, in deinem Schoß, mein Schatz. Komm zu mir in den Garten – siehst du die Früchte? Setz dich. Nimm dir. Nimm, was du willst, aber bleib. Ich mache ein Feuer, wenn es kalt wird, es wird bald kalt und bald dunkel. Da mache ich uns ein Feuer. Wir legen Kartoffeln hinein. Wir wärmen uns die Knochen und wir erzählen uns Geschichten und wir schauen dabei in die Flammen, in die Glut hinein, in die Weißglut. Ich erzähle dir Geschichten zum Fürchten.«